Der PROTOS - Wagen der Motoren-Fabrik PROTOS, Berlin Im Auto um die Welt Als Erste am Ziel, und doch nicht gewonnen ... ------------------------------------------ Seit 1522 wissen wir es sicher: Die Erde ist eine Kugel. Ein Schiff aus Magellans Flotte hat sie umrundet. Drei Jahre war es unterwegs, von Spanien nach Spanien, immer nach Westen segelnd. 350 Jahre später schrieb Jules Verne seine "Reise um die Welt in 80 Tagen". Der Zukunftsroman feuerte die frühen Automobilisten an, es den Seefahrern gleichzutun. Ein Langstreckenrennen von New York nach Paris bot dazu Gelegenheit. Sechs Automobile nahmen daran teil. Für drei wurde es tatsächlich zu einer Fahrt um die Welt. Der deutsche PROTOS-Wagen schaffte es in genau einem halben Jahr. Am 26. Juli 1908 traf er in Paris ein. Der amerikanische THOMAS-Wagen war an diesem Tag noch nicht einmal in Berlin und der italienische ZÜST-Wagen noch in Sibirien. Die Siegestrophäe erhielten jedoch die Amerikaner, weil ihr Wagen zur Durchquerung des Heimatkontinents 15 Tage weniger als die deutsche Konkurrenz benötigte. Die Deutschen fühlten sich "um den Sieg betrogen". Pannen und lange Reparaturen hatten sie in den USA aufgehalten, und für einen zunächst erlaubten Bahntransport wurden Straftage angerechnet. Der schwer enttäuschte Fahrer des PROTOS, Oberleutnant Hans Koeppen, wurde dennoch wie ein siegreicher Held gefeiert. Sein 1909 erschienenes Buch "Im Auto um die Welt" beschreibt die abenteuerliche Wettfahrt. Viel Pech und wenig Glück in Nordamerika ---------------------------------------- Schon beim Start in New York am 12. Februar 1908 lag Schnee, es folgten Stürme und Verwehungen und schließlich vor Chicago noch ein Blizzard. Schaufeln und Pferdehilfe waren angesagt. Die drei Weltfahrer kamen an manchen Tagen nur 30 km weit. Lag der Schnee zu hoch, dann benutzten sie - wie ihre Konkurrenten - den Gleiskörper der Bahn. Im Licht der Gasscheinwerfer holperten sie durch die Winternacht. Tagsüber mussten sie sich wegen des Bahnverkehrs über die miserablen Landstraßen quälen. "Im Schneckentempo." "Time is money - das schnellste Verkehrsmittel entsprach dem stürmischen Erwerbssinn unserer überseeischen Vettern am besten, und die natürliche Folge war, dass wir (1908 in Nordamerika) fast gar keine künstlichen Landstraßen antreffen. Selbst der Güterverkehr spielt sich ...ausschließlich auf der Eisenbahn ab", schreibt Koeppen. Nach der Reparatur eines Steuergabelbruchs hatte Koeppen scheinbar "die Garantie für den guten Fortgang des deutschen Unternehmens in der Tasche, mit dessen glücklicher Durchführung der gute Ruf unserer Automobilindustrie, ja allgemein die Ehre des deutschen Namens, verbunden war. Das war die Hauptsache, alles andere musste sich von selber finden", meinte Koeppen voller nationalem Überschwang. Offenbar waren damals, 6 Jahre vor dem Ersten Weltkrieg, nicht Fahrer und Autofirmen, sondern Nationen gegeneinander angetreten. 2000 Kilometer vor San Francisco endete für den PROTOS die Durchquerung Nordamerikas " ... am Nordufer des Großen Salzsees ... ließ sich plötzlich ein verdächtiges Krachen im Kardan vernehmen, und gleich darauf stand der Wagen still.... Achtundvierzig Stunden hatten wir fleißig zu arbeiten, um den Schaden zu beseitigen; ... (als dann) etwas im Herzen unseres Autos, am Motor selbst passiert war, ...saßen wir definitiv fest." Über Land und Meer mit Bahn und Schiff -------------------------------------- Die Reparatur erfolgte nicht mehr in den USA, sondern im russischen Wladiwostok. Der fahruntüchtige PROTOS wurde mit der Bahn zum Pazifikhafen Seattle gebracht und von dort mit dem Dampfer nach Ostasien. Der ursprüngliche Fahrplan sah die Überquerung des pazifischen Ozeans auf eigener Achse vor: hoch im Norden übers Eis der Beringstraße, das im Winter wie eine schwimmende Brücke die Kontinente verbindet. "Sympathischer wäre es mir persönlich ohne jede Frage gewesen, wenn an dieser Route durch die Polarländer nie etwas geändert worden wäre, (aber) auch so, wie die Fahrt schließlich vonstatten gegangen ist, steht sie ohne Beispiel im automobilistischen Sport da." "Nur drei von ursprünglich sechs Wagen zogen in den letzten schweren langen Kampf. Wir waren uns klar darüber, dass besonders THOMAS mit seiner tüchtigen Mannschaft und seiner bedeutend stärkeren 60-PS-Maschine für uns ein sehr ernsthafter Gegner war," schreibt Koeppen. In Wladiwostok erhielt er zwei neue Chauffeure. Sie waren von Berlin mit der transsibirischen Bahn angereist. In einer Schmiede machten sie sich sogleich daran, den Wagen instand zu setzen und umzubauen. "Nun, da die Polartour wegfiel, waren Verdeck und hohe Wagenborde überflüssig. Jedes Pfund Erleichterung musste auf den Sumpfwegen... willkommen sein. ...Am 22. Mai (1908) war alles klar..." zum zweiten Start. Moskau, Berlin, Paris --------------------- Da es schon seit Wochen ununterbrochen regnete, "benutzten wir statt der versumpften Wege den Bahndamm der transsibirischen Eisenbahn. ...Wie ein richtiger Zug waren wir in den Fahrplan eingeschoben, die Bahnwärter präsentierten vor uns...." Als in der Steppe die Wege besser wurden, konnte auf den Bahndamm verzichtet werden. Mit "geplatztem Pneumatik und gebrochenen Vorderfedern" erreichten sie Moskau. Glücklicherweise gab es dort eine PROTOS - Filiale. "Den Zeitverlust holten wir durch forcierte Fahrt bald ein. Lange Berge hinab sausten wir mit 80, 90 und mehr Kilometern Geschwindigkeit. Auch zwei Federbrüche - Nr. 19 und 20 seit Wladiwostok! - hielten uns nicht lange auf." In Petersburg gab's eine Medaille des Zaren und einen Empfang im Schloss. Auf der Weiterfahrt schaffte der PROTOS mit 625 Kilometern den Tagesrekord der Wettfahrt. "Ein Hurra aus tausend Kehlen war unser Willkomm vor Berlin, und von allen Seiten streckten sich beglückwünschende Hände entgegen." Im Verlagshaus der "B.Z. am Mittag", dem Sponsor der Fahrt, wünschte Dr. Ullstein "Glück auf den Weg" und "Auf zum Rhein, auf nach Paris". Vier Tage vor dem amerikanischen THOMAS - Wagen traf der PROTOS dann in Paris ein. "Wir waren am Ziel! ... und konnten uns als Erste hier zur Stelle melden." Endstation Museum ----------------- Heute kann man die beiden Siegerwagen im Museum bewundern. Der THOMAS kam ins Harrah-Automuseum in Reno, Nevada, der PROTOS ins 5 Jahre zuvor eröffnete Deutsche Museum. Gestiftet hat ihn nicht die Motoren-Fabrik PROTOS in Berlin, sondern die Siemens-Schuckert-Werke, die PROTOS noch im Jahr des Erfolgs aufkauften. Fast ebenso alt wie unser PROTOS ist der typgleiche Luxuswagen des ehemaligen Außenministers von Brasilien im Nationalmuseum von Rio. Er ist schöner anzuschauen als unserer, aber so geschichtsträchtig ist er halt nicht. Literaturtipps zum Weiterlesen: ------------------------------- Hans Koeppen: Im Auto um die Welt. Berlin 1909. Hans-Otto Neubauer: Autos aus Berlin: PROTOS und NAG. Stuttgart 1983. George Schuster, Tom Mahoney: Das längste Autorennen aller Zeiten. New York - Moskau - Paris (1908). Stuttgart 1968. Alise Barton Whiticar: The Long Road. The Story of the Race around the World by Automobile in 1908. Port Salerno, Florida, 1973.